_netzwerk insights. bemer physikalische gefässtherapie.
21. September 2019
_2020. welcome progress.
23. Dezember 2019
 

erste reise auf vier rädern.

seit diesem sommer bin ich endlich auf der strasse mobil. mit einem behindertengerecht umgebauten vw bus. wurde auch zeit. 3 jahre nach dem unfall. seit meiner querschnittlähmung sind wir bisher nur per flugzeug oder bahn verreist. im september ging es nun erstmals auf 4 rädern für eine woche ins kroatische istrien.

 
 

zum kleinen denken gezwungen.

für euch nicht querschnittgelähmten ist so eine reise kein ding. unterkunft suchen. klamotten in die tasche schmeissen. gepäck verladen. einsteigen. los geht’s. mit meinem handicap brauchts da leider wesentlich mehr vorausschauende vorbereitung. um solche trips und aufenthalte zu realisieren und auch unverletzt zu überstehen. mir ist das leider schon ein paar mal nicht gut gelungen. daher bin ich maximal sensibilisiert. es kommt bei mir auf viele kleine details an. und ich brauche viel mehr zeit. zum packen. morgens zum aufstehen. dann im bad. und logistische hilfe. zum transportieren und verladen von taschen und equipment.

hautschonende autofahrt.

vor uns lag eine knapp 7 stündige autofahrt nach rovinj. noch können wir nicht einschätzen wie lange ich problemlos in diesem autositz verweilen kann. auf der hinfahrt wählten wir die risikolose variante. ich bliebt im rollstuhl sitzen. wurde im vw bus hinten geparkt. silvia fuhr  die komplette strecke. auf dem rückweg lenkte ich ca 4,5 stunden das fahrzeug. das klappte schon mal problemlos. spätestens dann muss ich aber für ausreichend hautentlastung am gesäss sorgen. ohne eine fahrpause und am besten dem wechsel auf das weichere rollstuhlsitzkissen geht das aber nicht.

 

hauptgefahr hoteltoilette.

2017 hotel in husum. 2018 hotel in porto. während diesen beiden reisen verletzte ich mir die haut auf der hotel toilette. im april 2019 im hotel auf mallorca probierte ich es dann erfolgreich mit einem eigenen speziellen wc-sitz. auf dem ich gefahrenlos sitzen kann. mit integrierten stützgriffen. um sicher alleine vom rollstuhl auf den sitz überzuwechseln. einziger nachteil. das ding ist unhandlich und ein hoteltechniker muss die örtliche toilettenbrille und den deckel gegen diesen sitz austauschen und festschrauben. nach der positiven erfahrung in mallorca war ich mir sicher. dieser sitz wird die lösung für all unsere zukünftigen reisen sein. also trat ich mit dem hotel in rovinj in kontakt um zu klären ob der sitz in unserem zimmer auf ihre toilette passt und montiert werden kann. das wurde mir bestätigt. unterkünfte muss ich auch immer hinsichtlich der räumlichen gegebenheiten überprüfen. türbreiten. anordnung im bad. höhe des wcs. position und höhe des bettes.

im rollstuhlgerechten zimmer angekommen dann der schock im bad. vor mir stand ein designer wc-konstrukt. an dem die üblichen bohrlöcher in der keramikschüssel fehlten. schnell war klar das mein sitz hier nicht montiert werden kann. panik kam bei mir auf. aber diesmal hatte ich echt glück. das hotel hatte zufällig zur überbrückung einen speziellen aufsatz. zudem konnten wir es noch organisieren das am folgetag nachreisende freunde eine spezielle backup-sitzbrille von zuhause mitbrachten. danke maria, kikki und joni. ihr habt unseren urlaub gerettet. diese jüngste erfahrung ist mir eine weitere lehre. mich niemals auf die aussagen von hotels zu verlassen. und sicherheitshalber immer eine backup-lösung mitzunehmen.

 
 

rollstuhlgerechte aussenanlage. mit echtem zerstörungspotenzial.

das familiy hotel amarin in rovinj ist klasse. ein neues schönes designer hotel. grosszügiges gebäude. viel licht. mit einer weitläufigen interessant gestalteten grünen aussenanlage auf einer landzunge gelegen. mit blick über das meer auf die gegenüberliegende altstadt. viele mit rollstuhl befahrbare wege. die topografie ist hügelig. flach ist es dort fast nirgends. auf meiner 800 meter langen bewegungsrunde kamen 10 höhenmeter zusammen. meine schultermuskeln und kreislauf verkrafteten 2 mal täglich je 4 runden davon. mehr war leider nicht möglich. bei sonnigen  27 grad und fehlender ausreichender thermoregulation brannte ich auch schnell innerlich. nach so einer einheit brauchte ich eine stunde um mich davon zu erholen. mein körper fühlte sich nach 30 minuten bewegung unter diesen bedingungen recht derangiert an. für einen fussgänger ist so eine topografie nicht erwähnenswert. für mich ist es kraftausdauer pur.

 

mein hügel der wahrheit.

auf der anlage gab es auch einen kleinen aussichtshügel. mit einem kurzen giftigen anstieg. auf einer tafel stand geschrieben "test how fit you are. run up the hill.". vor dem ding hatte ich respekt. meine ersten beiden versuche dort hochzukommen scheiterten kläglich. ich musste abbrechen. am steilsten abschnitt  war die neigung so heftig das ich dort nicht mal entspannt stehen bleiben konnte um mich zu erholen. für meinen dritten versuch begleitete mich joni. er lief hinter mir um notfalls helfen zu können. diesmal schaffte ich es. ohne pause. am stück ganz hoch zu kommen. aber es war ein echter kampf. sau hart. nichts für ästheten. ich hockte sehr schief im rollstuhl. in der schlüsselpassage war ich am absoluten limit. mehr steigung hätte ich nicht mehr bewältigen können. um nicht vorne abzuheben und nach hinten zu kippen musste ich mich mit dem oberkörper weit nach vorne lehnen. ohne bauchmuskeln ist das eine heikle körperposition. bei so einer steigung. in zentimeter abschnitten kroch ich nach oben. runter ist das auch nicht ohne. einfach rollen lassen war mir wegen den kleinen steinchen und laub auf dem boden zu gefährlich. die kleinen vorderräder können ganz leicht blockieren. das würde mich wie eine rakete aus dem rollstuhl katapultieren. also musste ich maximal bremsen. vom festen griff bekam ich fast einen krampf in beiden daumen.

vom anstieg haben wir ein kleines video gemacht. seht selbst. sieht easy aus. oder?

 
 

grenzen anerkennen. für den moment.

motiviert von diesem erfolgserlebnis startete ich am gleichen tag einen weitere versuch. doch ich wurde belehrt. demütig vor solchen bedingungen zu sein. zu akzeptieren dass für mich so ein hügel derzeit ein absoluter grenzbereich ist. maximale höchstbelastung. ich brauchte in der schlüsselstelle 4x jonis hilfe. ich musste 4 kleine pausen einlegen. er stemmte sich von hinten gegen den rollstuhl damit ich nicht zurückrollen konnte. mir fehlte der mentale biss. mich völlig zu verausgaben. und auch die kraft. ich musste erkennen das ich so eine belastung derzeit nur ausgeruht und mental völlig fokussiert bewältigen kann. einmal am tag. aber halt nicht zweimal oder häufiger am tag.

 
 

indoor training. im rollstuhl.

das hotel hält eine weitere überraschung für den bewegungsaffinen rollstuhlfahrer bereit. neben dem aufzug hatte ich auch die möglichkeit per eigenantrieb die vier stockwerke hoch und auch runter zu fahren. über eine spiralförmig angelegte großzügige rampe. der dicke teppichboden erschwerte das unterfangen hoch zu fahren ein wenig. für die vier stockwerke brauchte ich im schnitt 8 minuten. dieses angebot der kalorienvernichtung nahm ich besonders morgens und abends nach dem essen dankend an. meiner schultermuskulatur hat es scheinbar nicht so sehr gefallen. die hat ordentlich gebizzelt. einige der mir entgegenkommenden hotelgäste waren scheinbar überfordert. mich da so hochjockeln zu sehen. wussten nicht wie sie sich verhalten sollten. stehen bleiben. oder mich passieren und weitergehen. da ich ordentlich die hände voll zu tun hatte war es mir egal. ich befinde mich in solchen anstiegen im mentalen tunnel. vorwärts kommen. nicht umkippen. an mehr kann ich dann nicht denken. 

 
 

mit dem rollstuhl in der altstadt.

die historischen altstädte in rovinj oder pula sind schön. gerne hätte ich mich dort mehr bewegt. eigenständig bewegt. aber das alte unebene kopfsteinpflaster und die hohen bordsteine lassen das nicht zu. wir hatten zwar auch hier immer tatkräftige supporter dabei aber auch denen waren physikalische grenzen gesetzt. wenn dann auch noch menschenmengen um mich herumsteigen verliere ich schnell den spass. da ich nicht einfach schnell abhauen kann fühle ich mich in solchen momenten gefangen. das ist doof aber ich kann es auch nicht ändern.

 
 

fazit. ich bin happy.

endlich. endlich mal eine erfolgreiche reise. ohne zwischenfälle. ohne rückschläge. so kann es jetzt gerne weitergehen. wir hatten schöne tage in istrien. mit guten freunden. lecker essen. viel zeit im freien. angenehme temperaturen. viel sonne. meeresbrise. und neuen erfahrungen im körperlichen grenzbereich. istrien. wir kommen wieder. und dann mit noch mehr schwung und bewegung.

#neverstopburning
euer karsten

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