ich war im november 4 wochen auf reha. bei der aussage denken viele an einen naturnahen urlaub. mit schlammbädern. säften. klangschalentherapie. einen haufen entspannung. mein verweilen gestaltete sich ein wenig unentspannter. ich befand mich in einem bootcamp. für neurologische verletzungen und krankheiten. im zentrum der rehabilitation geerlofs in pforzheim. ein ort an dem keine wunder geschehen.
jede verbesserung die hier erzielt wird basiert auf harter konstanter arbeit.
vollem körperlichen und mentalem einsatz der klienten. und der therapeuten.
reha im krankenhaus bedeutet für hoch querschnittgelähmte häufig eines. viel viel leerlauf. wenige und nur kurze einheiten. meist nur ein therapeut. in wechselnder besetzung. das schränkt bei meiner kompletten querschnittlähmung ab dem ersten brustwirbel die aktiven gestaltungsmöglichkeiten ziemlich ein. ganz anderes in dieser privat betriebenen einrichtung.
im zentrum ist platz für ca 20 patienten. mir wird für die dauer des aufenthaltes ein therapeut und ein platz fest zugewiesen. in meinem fall unterstützt dann noch eine zweite hilfsperson. die kann öfter mal wechseln. ist aber nicht schlimm. die regie führt schließlich der therapeut. außerdem werde ich so gezwungen mich immer wieder auf neue konstellationen einzustellen. auch der übungsaufbau ist nie 100% identisch.
der therapietag startet für mich um 8 uhr und endet um 14 uhr. wann und wie lange ich in dieser zeit pausen einlege bestimme ich selbst. in absprache mit dem therapeuten.
jedem patienten stehen bei bedarf 2 große bobathliegen zur verfügung. in den stationären übungen kommen sehr unterschiedliche hilfsmittel zum einsatz. hocker. bänke. leitern. wasserkästen. skateboards. umgebaute rolatoren. im zentrum gibt es dann noch 3 lokomaten und 1 vector gait system.
alles ist in einem übersichtlichen haus auf 3 stockwerken organisiert. alle klienten werden auf 3 große therapieräume verteilt. dieser kommunikative ansatz kommt gut an bei den klienten. es wird viel gelacht.
die unterkünfte befinden sich im haus oder in unmittelbarer nachbarschaft. ich war in einem mehrfamilienhaus in einem kleinen appartment untergebracht. die appartments sind für die klienten mit einem höhenverstellbaren bett ausgestattet. ich kam mit meinem rollstuhl prima zurecht. aber nicht alles ist 100%ig barrierefrei. wie im alltag auch. die inhaber haben sich bewußt für diesen ansatz entschieden. quasi als weiteren therapiebestandteil. für individuelle bedürfnisse hat man dort trotzdem ein ohr. und macht vieles möglich.
eine gute ausgewogene ernährung ist für mich sehr wichtig. um energie für die tägliche belastung zu bekommen. und natürlich um die regeneration zu unterstützen. das zentrum kann hier mit einem außergewöhnlich guten koch aufwarten. sven hat bereits in einem top restaurant gearbeitet. er kocht nur mit frischen lebensmitteln. in den vier wochen gab es jeden tag etwas anderes. geschmacklich herausragend und hochwertig. auch für das auge. ich bin während den 4 wochen nur einmal in pforzheim essen gegangen. lachs mit grillgemüse für 25euro im lokal "platzhirsch". das wurde mir wegen seiner guten küche empfohlen. die qualität kam allerdings an svens kochkünste nicht heran.
am ersten tag habe ich mit therapeut marco über meine ziele und erwartungen der vier anstehenden wochen gesprochen. marco ist der inhaber des zentrums.
wir haben fotos meiner sitzposition im rollstuhl gemacht. um die wirkung der therapie auch optisch beobachten zu können.
mein therapietag und die abfolge der übungen war relativ konstant geplant. ich finde das gut. so kann ich mein belastungsempfinden gut zwischen den tagen vergleichen.
die einzelnen übungen werden je nach können und tagesaktueller verfassung in ihrer schwierigkeit und komplexität angepasst. der ideenreichtum kennt hier wirklich keine grenzen. wenn etwas zu leicht geht wird prompt das level erhöht.
ziel ist es immer sich an den eigenen grenzbereich zu begeben. dort wo ich meine bewegungen nicht mehr voll unter kontrolle habe. da wird es anstrengend. auch mental. das ist schwer verbal zu vermitteln. die übungen sind alle sehr komplex.
ich versuche es mal konkret zu machen. ich habe keine muskuläre kontrolle im rumpf. von den achseln abwärts bin ich schlaff gelähmt. ich kann also auch nicht frei aufrecht sitzen. ich klappe ohne stützen nach vorn zusammen. ungebremst. entsprechend rund werde ich im rücken. also versuchen wir zum beispiel mit einem instabilen gegengewicht vor mir mich in aufrechte oberkörperposition zu bringen. ich muss versuchen mich in dieser position zu halten. obwohl ich das gegengewicht bewege. gleichzeitig achtet marco darauf dass körpergewicht auf meine beine und füsse kommt. die gesamte muskelkette soll impulse bekommen. auch wenn sie schlaff gelähmt ist.
hat mir die reha verbesserungen gebracht. ich versuche die frage differenziert zu beantworten.
in den 4 wochen konnten wir wöchentlich den schwierigkeitsgrad und die komplexität der übungen erhöhen. insbesondere der entwicklungssprung in der letzten woche hat mich geflasht. ich fühlte mich energetischer und voll motiviert.
mein ambulanter physiotherapeut zu hause hat beobachtet dass ich den seitlichen knick in der wirbelsäule während unseren standard übungen nun besser ausgleichen kann.
gegen ende the reha bemerkte ich eine punktuelle veränderung im permantenten kribbeln. konzentriere ich mich auf einen speziellen bereich meiner unteren extremitäten und versuche den zu bewegen verstärkt sich dort nun das kribbeln wesentlich intensiver und differenzierter. bis zu den zehen runter.
zu beginn der reha hatte ich während den übungen deutliche kreislaufprobleme. die wurden von woche zu woche immer weniger. auch jetzt zuhause merke ich bei meinen übungen dass mein kreislauf belastbarer ist.
seit der reha bin ich im stehtrainer plötzlich in der lage wesentlich längere und intensivere intervalle zu absolvieren. zuvor kam ich über 4-5 minuten bewegungsintervalle nicht hinaus. weder die kraft noch der kreislauf spielten mit. eben habe ich erstmals ein 5x 10min bewegungsintervallprogramm mit je nur 2min stehpausen recht easy absolviert. alles kompett aufrecht. das ist eine krasse entwicklung wenn ich an meine oktober form zurück denke. der wahnsinn.
nun gilt es gemeinsam mit thomas und remote unterstützung durch marco das momentum aufzugreifen. diese impulse in der ambulanten physiotherapie fortzuführen. wir haben letzte woche damit begonnen neue übungen auszuprobieren. ich bin schon gespannt was uns da noch alles einfällt. und ob wir es schaffen das erreichte zu stabilisieren. im besten fall gar auszubauen.
ich bin voll motiviert.
never stop burning
euer karsten